Grüne Kammer
Das im Herbst besuchte „Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe“ liegt knapp außerhalb des Bereiches der Landesärztekammer Brandenburg im Südwesten Berlins. Ein nicht geringer Teil der Mitarbeiterinnen pendelt jedoch täglich aus der Mark zu dem landschaftlich reizvoll am nördlichen Havelsteilufer in Berlin-Kladow gelegenen Krankenhaus, das sich bereits bundesweit als Vorreiter in Sachen Klimaschutz im Krankenhaus profiliert hat.
Ich bin mit der Klimamanagerin der Klinik, Frau Gebert, verabredet. Die meisten Gebäude des Krankenhauses entstanden in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts, ursprünglich als Luftwaffenschule. Später erfolgte dann die Umnutzung als Krankenhaus, zwischenzeitlich als Außenstelle des Krankenhauses Spandau und ab 1995 als gemeinnützige Krankenhaus-GmbH in Trägerschaft eines Vereins und mit der Profilierung eines ganzheitlichen Patientenbetreuungskonzeptes und dem Angebot anthroposophischer Medizin.
Bereits mit der Neugründung bekannten sich die Initiatorinnen des Gemeinschaftskrankenhauses zu nachhaltiger Bewirtschaftung des Krankenhauses und stießen die Transformation zum „klimafreundlichen“ Krankenhaus an. Ein Arbeitskreis Ökologie, zusammengesetzt aus Geschäftsführung, technischer Direktion und ärztlichen Vertreterinnen, engagierte sich ehrenamtlich bei der Implementierung der Transformationsprozesse. Rasch konnten, so Gebert, in den ersten Jahren durch die Modernisierung und Umstellung der Heizungsanlage, energetische Gebäudesanierung und andere Maßnahmen bis zu 70 % der Treibhausgasemissionen im Bereich Energie (Wärme und Strom) eingespart werden. „Bei den letzten 30 % wird es immer schwieriger“. Dennoch strebt das Gemeinschaftskrankenhaus das treibhausgasneutrale Wirtschaften bis 2030 an. Angelehnt an die Vorschläge des britischen NHS wurden und werden 14 Handlungsfelder identifiziert und bearbeitet (u. a. Nutzung regenerativer Energien, Mobilitätskonzepte, Produkt- und Lieferkettenkontrolle, Abfall/Wertstoffkreisläufe, Ernährung). Das erfordert viel Recherche-Arbeit. So viel, dass es im Ehrenamt bzw. nebenher nicht mehr zu schaffen ist (Gebert: „Klimaschutz macht man nicht nebenbei“). Erst seit 2021 ist Gebert mit tatsächlichen Stellenanteilen (5 h/Woche) als Klimamanagerin angestellt, zuvor übernahm auch sie diese Arbeit zusätzlich zu Ihrer Tätigkeit als Sekretärin. Dabei konnte und kann sie auf einschlägige Erfahrungen aus einer früheren Tätigkeit in der Recycling-Wirtschaft zurückgreifen.
Glücklicherweise ist das Gemeinschaftskrankenhaus seit kurzem in den Genuss von Projektmitteln gekommen, mit denen die „Deutsche Bundesstiftung Umwelt“ (DBU) Klimaschutz fördert. So konnten in Havelhöhe 4 wissenschaftlich Mitarbeiterinnen in Teilzeit eingestellt werden, die die verschiedenen Handlungsfelder bearbeiten, zudem ein Videofilmer, der die Klimaschutzprojekte dokumentiert und bekannt macht. Es sei ganz wichtig Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei den Klimaschutzbemühungen mitzunehmen, Grundvoraussetzung dafür wiederum sei ein entsprechendes Führungsverhalten. Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit ist daher eine „Sparte Klimaschutz“ mit regelmäßigen Berichten präsent. Und, das müsse allen Mitarbeitenden klar sein: „Klimaschutz betreiben bedeutet, die eigene Comfortzone mal zu verlassen“. Die Berechnung der Treibhausgasemissionen des Krankenhauses erfolgt übrigens ebenfalls ehrenamtlich.
Als im Rahmen der KLIK green-Initiative Geschulte steht Frau Gebert in Fragen des Klimaschutzes mit 250 weiteren Einrichtungen im Austausch. Gebert berichtet von einem eigenen Projekt, bei dem über 24 h die Pflege eines Normalpatienten und eines Covid 19-Patienten beobachtet und der Ressourcenverbrauch über die Abfallmenge gemessen wurde. Die Abfallmenge betrug beim Covid 19-Patienten etwa das 4fache. Reflektiere man konkrete Beispiele anschließend mit den
Mitarbeitenden, so sensibilisiere dies oft für das Problem und es ergäben sich häufig doch noch Möglichkeiten für Einsparungen von Ressourcen. Zusammen mit der Einkaufsgemeinschaft des Krankenhauses sollen künftig mögliche Rückgabesysteme, die Materialzusammensetzung von Produkten untersucht und die Abfallwege verfolgt werden. Projekte zur Förderung der Digitalisierung haben eine weitgehend papierlose Verwaltungsarbeit ermöglicht. Andere Projekte sollen Mitarbeiterinnen einbeziehen und zum Mitmachen bringen. Auf dem Flur vor dem Besprechungsraum steht ein Karton, in dem der Naturschutzbund alte Handys für Reparaturen oder Materialrecycling sammelt. Die Erlöse aus der Wiederaufbereitung, die zugleich die Umwelt entlastet, gehen an den Insektenschutzfond des Naturschutzbundes („Handys für Hummeln, Biene & Co.“)
Es mache keinen Sinn, so Gebert, an Projekt-Ideen festzuhalten, die sich nicht bewährt haben und sie lädt alle ein, von den Projekterfahrungen des Gemeinschaftskrankenhauses zu lernen. Hinsichtlich eines nachhaltigen Mobilitätskonzeptes, so berichtet sie beispielsweise, gab es über die arbeitgeberseitige Subventionierung von ÖPNV-Tickets und die schon weit verbreiteten Fahrradleasing-Konzepte hinaus die Idee, Individual-Kraftfahrzeugverkehr durch das Angebot eines Mitarbeiter-Shuttles zu reduzieren, eine Idee, die sich letztendlich als nicht ausreichend angenommen und ökonomisch nicht tragfähig erwies. Im Moment sei eine Mitfahrer-App bei den Krankenhauspendlern in Erprobung. Ob damit tatsächlich Kraftfahrzeugkilometer eingespart würden, sei allerdings noch nicht klar, dem Teamgeist tue die App jedoch mancherorts gut.
Der nächste große Brocken ist die Installation einer Photovoltaikanlage. Auf Grund von Denkmalschutz-Auflagen ergaben sich viele Einschränkungen bei der Konzeption, schließlich schien die Umsetzung im Frühjahr aber möglich. Im April änderten sich die Denkmalschutzauflagen zu – auch das ist in Deutschland möglich – weniger Beschränkungen. Dies machte eine komplette Neuplanung erforderlich, die erst jetzt abgeschlossen wurde. Auch dem Gemeinschaftskrankenhaus stehen keine Investitionsmittel für diese PV-Anlage zur Verfügung, so dass letztendlich der Sonnenstrom vom Betreiber der Anlage mit dem Ziel eingekauft wird, 100 % Ökostrom einzusetzen. Kostenvorteile ergäben sich dabei wohl kaum, die langfristige Vertragsbindung könnte sich sogar ökonomisch nachteilig für das Krankenhaus auswirken. Wichtig sei aber der Präventionsgedanke, der hinter dem Einsatz des Krankenhausträgers und der Mitarbeitenden stehe.
Am Ende unseres Gesprächs bitte ich Frau Gebert, mir die aus ihrer Sicht 3 wichtigsten Dinge für die Umsetzung von Klimaschutz im Krankenhaus zu nennen. Die Antwort kommt sofort und ohne lange Überlegungen: am wichtigsten ist es, Energie zu sparen, daneben: nachhaltige Steigerung der Investitionen in Klimaschutz und nachhaltiger Einkauf.
Das wichtige, was ich aus dem Gespräch für die Arbeit in Brandenburg mitnehme, ist die erklärte hohe Bedeutung des Klimaschutzes für die Krankenhausleitung und die Mitarbeiterbeteiligung bei den damit verbundenen Prozessen. Ich bewundere das vielfältige und langjährige ehrenamtliche Engagement der Vielen bei der Begleitung des Transformationsprozesses. Hier gilt es sich nicht auf den vielen kleinen Erfolgen auszuruhen, sondern auch die letzten 30% zu bewältigen, damit das große Ziel im Jahr 2030 gelingen kann.