Öffentliche Debatte und Jurisdiktion führten in Deutschland im Mai 2021 zu einer Verschärfung der staatlichen Zielsetzung hinsichtlich des Ausstoßes von klimaschädlichen Emissionen (im Vergleich zum bis dahin geltenden Klimaschutzgesetz, das fußend auf den Zielen des Pariser Abkommens von 2015, hinsichtlich der Zielsetzungen vom Bundesverfassungsgericht als unzulänglich und gegenüber künftigen Generationen ungerecht eingestuft wurde). Dass auch der Gesundheitssektor seinen Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen leisten muss, steht damit außer Frage. Insbesondere für die Klinikbetreiber stellt dieser Transformationsprozess jedoch eine riesige Herausforderung dar, da vor allem Krankenhäuser und in ihnen in besonders hohem Umfang Operations- und Intensivabteilungen als Treibhausgasemittenten gelten müssen.

Abgesehen davon, dass das Ziel der Klimaneutralität gesetzlich verbrieft ist, führen uns bereits jetzt sichtbare gesundheitsbedrohende Folgen des Klimawandels (z. B. längere Hitzeperioden, regionaler Wassermangel, lokale Naturkatastrophen) vor Augen, dass es höchste Zeit zum Handeln ist, dass ein früheres Erreichen der Klimaneutralität ein wichtiger Baustein zur Begrenzung der Erderwärmung auf die angestrebten 1,5 °C sein kann.

Quelle: Bundesumweltministerium 2021, www.bmuv.de/klimaschutz

Quelle: Bundesumweltministerium 2021, www.bmuv.de/klimaschutz

Relevanz für den Gesundheitssektor

Der Gesundheitssektor ist für den Ausstoß von 4,4 % der globalen Treibhausgase verantwortlich, das ist mehr als Flug- und Schiffsverkehr. In Deutschland ist er für 5,2 % der nationalen CO2-Gesamtemissionen verantwortlich (die deutsche Stahlindustrie übrigens nur für wenig mehr, etwa 6 %) pro Krankenhausbett und –tag werden hierzulande 300 – 600 l Wasser verbraucht. Die Gesundheitswirtschaft ist für etwa 11 % des Bruttoinlandsproduktes verantwortlich.

Neben erheblichen Einsparpotenzialen beim Ressourcenverbrauch (Abfallvermeidung, Abfalltrennung, bauliche Maßnahmen, Digitalisierung, Verhaltenstraining u. a.) erlauben technologische Innovationen (Digitalisierung, Speichertechnik, Photovoltaik u. a. m.) und bei den meisten Krankenhäusern vorhandene Flächen prinzipiell den umfassenden Einsatz regenerativer Energie campusbezogen.

Solarpanel | Foto: pixabay

Solarpanel | Foto: pixabay

Ökonomische Aspekte

Vergleichsweise hohe Investitionen in Nachhaltigkeit stehen dauerhaft hohen Einsparungen bei Betriebskosten gegenüber, die in der Bilanz nach Einzeldatenanalysen für eine ökonomische Effektivität sprechen. Einzelne Studien haben höhere Patientenzufriedenheit und höhere Mitarbeiterzufriedenheit und teilweise auch - Produktivität in ökologisch nachhaltig arbeitenden Gesundheitseinrichtungen nachgewiesen. Allerdings sind die nicht unerheblichen, für mehr Klimaschutz im Krankenhaus notwendigen Investitionen nicht in den Landesinvestitionsplanungen abgebildet.

Chancen, Machbarkeit und mögliche Partner

Bisher gibt es keine umfassende wissenschaftliche Untersuchung zum ökologischen bzw. klimaneutralen/klimafreundlichen Umbau des Gesundheitswesens, allerdings wurden Einzelprojekte wie z. B. klimaneutrale Krankenhausneubauten und deren Betrieb in wissenschaftlichen Einzelprojekten begleitet. Zudem liegt bereits einige wissenschaftliche Expertise zu diesem Thema bei möglichen akademischen Partnern vor (Fraunhofer-Institut, Abt. Health-Care-Logistics in Dortmund, „Green Hospital“-Initiative oder das lt. Landesplanung vorgesehene Institut für den CO2-sparenden Wirtschaftsumbau (siehe Lausitzer Rundschau vom 04.07.20).

Daneben gibt es unterdessen namhafte Initiaven wie KLUG e. V. oder KLIKgreen, die sich fundiert mit dem Weg zum klimaneutralen Krankenhaus befassen. Das InstituteforHealth Care Business GmbH hat im Auftrag der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V. (KGNW) ein Gutachten zu ökonomischen Aspekten der notwendigen Transformation der Krankenhauslandschaft hin zu Klimaneutralität erstellt und Ende März 2022 publiziert. Die stetig und aktuell stark steigenden Preise fossiler Energieträger und die für uns gerade aktuell aufgrund geopolitischer Verwerfungen augenfälligen und nicht wünschenswerten Abhängigkeiten könnten ein Impuls für einen beschleunigten Transformationsprozess sein.

Begriffe

Bewirtschaftungs- und Entwicklungsprinzip, nach dem nicht mehr natürliche Ressourcen verbraucht werden als jeweils nachwachsen, sodass die Lebenschancen künftiger Generationen erhalten werden (Brundtland-Report von 1987 „Our Common Future“ der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung).

ist erreicht, wenn alle CO2 -Quellen und -Senken ausgeglichen werden.

Ziel ist ein Ausgleich von Quellen und Senken aller im Kyoto-Protokoll festgelegten Treibhausgasemissionen. Da es bisher für die Treibhausgasemissionen, die nicht CO2 sind (also, beispielsweise Lachgas, welches auch als Narkosegas eingesetzt werden kann), bislang kaum Möglichkeiten gibt, diese bilanziell auszugleichen, erfordert Treibhausgasneutralität ein Übererfüllen in Bezug auf CO2. Es muss also mehr CO2 gespeichert als erzeugt werden.

klimapolitisch anspruchsvollstes Ziel. Sämtliche anthropogenen und natürlichen temperaturbeeinflussenden Faktoren müssen ausgeglichen werden.

Literaturauswahl

Litke, Nicola; Szecsenyi, Joachim; Wensing, Michel; Weis, Aline, Green Hospitals: Klimaschutz im Krankenhaus, Dtsch Arztebl 2020; 117(11): A-544 / B-468

Osterloh, Falk, Kliniken reduzieren Emissionen, Dtsch Arztebl 2022; 119(15): B537ff und Klimaneutralität ist erreichbar, ebenda, B541f

Wagner, O.; Jansen U., Tholen, L., Bierwirth, A. (2022). Zielbild: Klimaneutrales Krankenhaus, Abschlussbericht, Wuppertal Institut.

Das klimaneutrale Krankenhaus. Finanzierungsmöglichkeiten von Umsetzungsmaßnahmen; Institute for Health Care Business GmbH, Gutachten im Auftrag der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V. (KGNW)

Autor: Dr. med. Albrecht Grunske M.A.E.

Beispiele von Brandenburger Kliniken

Städtisches Klinikum Brandenburg GmbH 
Das städtische Klinikum Brandenburg definiert Nachhaltigkeit als Leitprinzip und strebt an, das Krankenhaus durch Reduktion des Energieverbrauchs und Senkung der CO2-Belastung klimafreundlich zu betreiben.

Grüne Kammer. Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel Logo

Oberhavel Kliniken GmbH
Die Oberhavel Kliniken haben an den Standorten Hennigsdorf und Oranienburg das EMAS-Umweltmanagementsystem eingeführt.Wesentliche Umweltaspekte wie Strom- und Wärmeverbrauch, Abfallmengen, Strahlenschutz und entsprechende Maßnahmen definiert und monitort. 

Grüne Kammer. Oberhavel Kliniken Logo

Helios Kliniken GmbH
Das Klinikum Bad Saarow beteiligt sich seit einigen Jahren bereits am Projekt KLIK green des BUND e. V.. Als Beispiele werden die Wärmeversorgung durch Holzpellets, die Einführung von Wasserspendern, E-Ladesäulen, eine umweltfreundliche Wasseraufbereitung und die Installation einer eigenen Fettabscheideanlage in den Cafeterien aufgeführt.

Weitere Aktivitäten von Brandenburger Krankenhäusern im Bereich der Nachhaltigkeit in Bezug auf den Umwelt- und Klimaschutz sind bekannt, wie z.B. die Teilnahme am sogenannten KLIK green Netzwerk, bei dem innerhalb der Projektlaufzeit mind. 100.000 Tonnen CO2-Äquivalente zu vermeiden sind.

    Grüne Kammer. Helios Logo

    Das im Herbst besuchte „Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe“ liegt knapp außerhalb des Bereiches der Landesärztekammer Brandenburg im Südwesten Berlins. Ein nicht geringer Teil der Mitarbeiterinnen pendelt jedoch täglich aus der Mark zu dem landschaftlich reizvoll am nördlichen Havelsteilufer in Berlin-Kladow gelegenen Krankenhaus, das sich bereits bundesweit als Vorreiter in Sachen Klimaschutz im Krankenhaus profiliert hat.

    Ich bin mit der Klimamanagerin der Klinik, Frau Gebert, verabredet. Die meisten Gebäude des Krankenhauses entstanden in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts, ursprünglich als Luftwaffenschule. Später erfolgte dann die Umnutzung als Krankenhaus, zwischenzeitlich als Außenstelle des Krankenhauses Spandau und ab 1995 als gemeinnützige Krankenhaus-GmbH in Trägerschaft eines Vereins und mit der Profilierung eines ganzheitlichen Patientenbetreuungskonzeptes und dem Angebot anthroposophischer Medizin.

    Bereits mit der Neugründung bekannten sich die Initiatorinnen des Gemeinschaftskrankenhauses zu nachhaltiger Bewirtschaftung des Krankenhauses und stießen die Transformation zum „klimafreundlichen“ Krankenhaus an. Ein Arbeitskreis Ökologie, zusammengesetzt aus Geschäftsführung, technischer Direktion und ärztlichen Vertreterinnen, engagierte sich ehrenamtlich bei der Implementierung der Transformationsprozesse. Rasch konnten, so Gebert, in den ersten Jahren durch die Modernisierung und Umstellung der Heizungsanlage, energetische Gebäudesanierung und andere Maßnahmen bis zu 70 % der Treibhausgasemissionen im Bereich Energie (Wärme und Strom) eingespart werden. „Bei den letzten 30 % wird es immer schwieriger“. Dennoch strebt das Gemeinschaftskrankenhaus das treibhausgasneutrale Wirtschaften bis 2030 an. Angelehnt an die Vorschläge des britischen NHS wurden und werden 14 Handlungsfelder identifiziert und bearbeitet (u. a. Nutzung regenerativer Energien, Mobilitätskonzepte, Produkt- und Lieferkettenkontrolle, Abfall/Wertstoffkreisläufe, Ernährung). Das erfordert viel Recherche-Arbeit. So viel, dass es im Ehrenamt bzw. nebenher nicht mehr zu schaffen ist (Gebert: „Klimaschutz macht man nicht nebenbei“). Erst seit 2021 ist Gebert mit tatsächlichen Stellenanteilen (5 h/Woche) als Klimamanagerin angestellt, zuvor übernahm auch sie diese Arbeit zusätzlich zu Ihrer Tätigkeit als Sekretärin. Dabei konnte und kann sie auf einschlägige Erfahrungen aus einer früheren Tätigkeit in der Recycling-Wirtschaft zurückgreifen.

    Glücklicherweise ist das Gemeinschaftskrankenhaus seit kurzem in den Genuss von Projektmitteln gekommen, mit denen die „Deutsche Bundesstiftung Umwelt“ (DBU) Klimaschutz fördert. So konnten in Havelhöhe 4 wissenschaftlich Mitarbeiterinnen in Teilzeit eingestellt werden, die die verschiedenen Handlungsfelder bearbeiten, zudem ein Videofilmer, der die Klimaschutzprojekte dokumentiert und bekannt macht. Es sei ganz wichtig Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei den Klimaschutzbemühungen mitzunehmen, Grundvoraussetzung dafür wiederum sei ein entsprechendes Führungsverhalten. Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit ist daher eine „Sparte Klimaschutz“ mit regelmäßigen Berichten präsent. Und, das müsse allen Mitarbeitenden klar sein: „Klimaschutz betreiben bedeutet, die eigene Comfortzone mal zu verlassen“. Die Berechnung der Treibhausgasemissionen des Krankenhauses erfolgt übrigens ebenfalls ehrenamtlich.
    Als im Rahmen der KLIK green-Initiative Geschulte steht Frau Gebert in Fragen des Klimaschutzes mit 250 weiteren Einrichtungen im Austausch. Gebert berichtet von einem eigenen Projekt, bei dem über 24 h die Pflege eines Normalpatienten und eines Covid 19-Patienten beobachtet und der Ressourcenverbrauch über die Abfallmenge gemessen wurde. Die Abfallmenge betrug beim Covid 19-Patienten etwa das 4fache. Reflektiere man konkrete Beispiele anschließend mit den 

    Mitarbeitenden, so sensibilisiere dies oft für das Problem und es ergäben sich häufig doch noch Möglichkeiten für Einsparungen von Ressourcen. Zusammen mit der Einkaufsgemeinschaft des Krankenhauses sollen künftig mögliche Rückgabesysteme, die Materialzusammensetzung von Produkten untersucht und die Abfallwege verfolgt werden. Projekte zur Förderung der Digitalisierung haben eine weitgehend papierlose Verwaltungsarbeit ermöglicht. Andere Projekte sollen Mitarbeiterinnen einbeziehen und zum Mitmachen bringen. Auf dem Flur vor dem Besprechungsraum steht ein Karton, in dem der Naturschutzbund alte Handys für Reparaturen oder Materialrecycling sammelt. Die Erlöse aus der Wiederaufbereitung, die zugleich die Umwelt entlastet, gehen an den Insektenschutzfond des Naturschutzbundes („Handys für Hummeln, Biene & Co.“)
    Es mache keinen Sinn, so Gebert, an Projekt-Ideen festzuhalten, die sich nicht bewährt haben und sie lädt alle ein, von den Projekterfahrungen des Gemeinschaftskrankenhauses zu lernen. Hinsichtlich eines nachhaltigen Mobilitätskonzeptes, so berichtet sie beispielsweise, gab es über die arbeitgeberseitige Subventionierung von ÖPNV-Tickets und die schon weit verbreiteten Fahrradleasing-Konzepte hinaus die Idee, Individual-Kraftfahrzeugverkehr durch das Angebot eines Mitarbeiter-Shuttles zu reduzieren, eine Idee, die sich letztendlich als nicht ausreichend angenommen und ökonomisch nicht tragfähig erwies. Im Moment sei eine Mitfahrer-App bei den Krankenhauspendlern in Erprobung. Ob damit tatsächlich Kraftfahrzeugkilometer eingespart würden, sei allerdings noch nicht klar, dem Teamgeist tue die App jedoch mancherorts gut.

    Der nächste große Brocken ist die Installation einer Photovoltaikanlage. Auf Grund von Denkmalschutz-Auflagen ergaben sich viele Einschränkungen bei der Konzeption, schließlich schien die Umsetzung im Frühjahr aber möglich. Im April änderten sich die Denkmalschutzauflagen zu – auch das ist in Deutschland möglich – weniger Beschränkungen. Dies machte eine komplette Neuplanung erforderlich, die erst jetzt abgeschlossen wurde. Auch dem Gemeinschaftskrankenhaus stehen keine Investitionsmittel für diese PV-Anlage zur Verfügung, so dass letztendlich der Sonnenstrom vom Betreiber der Anlage mit dem Ziel eingekauft wird, 100 % Ökostrom einzusetzen. Kostenvorteile ergäben sich dabei wohl kaum, die langfristige Vertragsbindung könnte sich sogar ökonomisch nachteilig für das Krankenhaus auswirken. Wichtig sei aber der Präventionsgedanke, der hinter dem Einsatz des Krankenhausträgers und der Mitarbeitenden stehe.

    Am Ende unseres Gesprächs bitte ich Frau Gebert, mir die aus ihrer Sicht 3 wichtigsten Dinge für die Umsetzung von Klimaschutz im Krankenhaus zu nennen. Die Antwort kommt sofort und ohne lange Überlegungen: am wichtigsten ist es, Energie zu sparen, daneben: nachhaltige Steigerung der Investitionen in Klimaschutz und nachhaltiger Einkauf.
    Das wichtige, was ich aus dem Gespräch für die Arbeit in Brandenburg mitnehme, ist die erklärte hohe Bedeutung des Klimaschutzes für die Krankenhausleitung und die Mitarbeiterbeteiligung bei den damit verbundenen Prozessen. Ich bewundere das vielfältige und langjährige ehrenamtliche Engagement der Vielen bei der Begleitung des Transformationsprozesses. Hier gilt es sich nicht auf den vielen kleinen Erfolgen auszuruhen, sondern auch die letzten 30% zu bewältigen, damit das große Ziel im Jahr 2030 gelingen kann.